Der nachfolgende Aufsatz ist ein "Schnellkurs" für den Einstieg in die gar nicht so verhexte Prüferei. Vielleicht hilft er, die hier verschiedentlich festzustellende Unsicherheit bezüglich dieses Themas zu verringern. Es soll keine Werbung sein, aber der Fälschungsskandal um den Bensheimer "Auktionator" Blüm läßt den Bedarf an fundierter Information erkennen.
GEPRÜFT, SIGNIERT UND ATTESTIERT
Eine Einführung in den Sinn und die Hintergründe des Prüfwesens
Von Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian E. Geigle, Grünwald
(Vor zwölf Jahren erschien der nachfolgende Aufsatz über das Prüfwesen zum ersten Mal in meiner damaligen Hauptpreisliste Nr. 14. Zwischenzeitlich hat es zahlreiche Neuerungen und Verbesserungen gegeben, die in Verbindung mit verstärkter Aufklärungsarbeit der Verbände in der Fachpresse den Betrügern das Leben noch schwerer machen sollen. Deswegen habe ich meine Ausführungen wieder auf den neuesten Stand gebracht. Meine treuen Stammkunden kann ich mit diesen Zeilen vielleicht nur noch langweilen, weil sie längst den Zug der Zeit erkannt haben und nur auf höchste Qualität setzen, sie mögen mir verzeihen. Jeder neue Kunde aber, den ich vor Schaden bewahren kann, ist die Mühe wert.)
Fast genauso alt wie die Philatelie selbst ist die Tätigkeit der Fälscher. Nicht nur bei den sehr teueren, für den normalen Sammler fast unerreichbaren Seltenheiten besteht seit jeher eine große Gefahr, dass diese in ihrer Erhaltung manipuliert worden sind, sondern auch und gerade im mittleren und gehobenen Bereich der so genannten „Standardausgaben“ zielen die Machenschaften dubioser Anbieter auf den Geldbeutel des unzureichend informierten Sammlers. Eine interessante Schilderung findet sich in Prof. Carlrichard Brühls Standard-werk „Geschichte der Philatelie“ in den Kapiteln 13 und 14 und kann an dieser Stelle nur wärmstens empfohlen werden.
Es sind im modernen Bereich der Philatelie (d.h. dem Zeitraum ab etwa 1900) weniger die Ganzfälschungen, die eine Gefahr für die Sammlerschaft darstellen, als vielmehr der weite Bereich von Manipulationen und Verfälschungen an ansonsten echten (Ur-)Marken. Bei den postfrischen Marken gilt es auf Entfalzungen, Gummi-ausbesserungen und Nachgummierungen zu achten, bei gestempelten Marken, insbesondere solchen, die im Katalog höher bewertet werden als die ungebrauchte oder postfrische Ausführung, stellen Falschstempel die größte Gefahr dar. Unterschieden wird hierbei zwischen Abstempelungen mit rückdatierten, echten Poststempeln, mit gestohlenen und in Privathand befindlichen echten Poststempeln (z.B. beim Saarland) und mit privat angefertigten Falsch-stempeln, die den echten oft täuschend ähnlich sind. Sowohl bei postfrischen wie ungebrauchten Marken kann es „Verbesserungen“ an der Zähnung geben, die nachgestochen wird, um kurze oder fehlende Zähne zu kaschieren. Blöcke können am Rand beschnitten sein, um Randmängel zu beseitigen. Aufdrucke von Marken, die ohne diesen Aufdruck viel billiger, oft nur Pfennige wert sind, unterliegen einer besonderen Fälschungsgefahr, weil hier die „Gewinnspanne“ zumeist erheblich ist (z.B. bei Schwarz- und Rotaufdruck von Berlin, Band- und Netzaufdrucke auf den Ziffernwerten der Bizone).
Nachdem dank der Aufklärungsarbeit der Verbände und den Anstrengungen ehrbarer Berufsphilatelisten verfälschungsgefährdete Marken heute immer schwerer an den Sammler gebracht werden können, ist bei den Fälschern zunehmend auch die letzte Hemmschwelle weggefallen: Das Fälschen von Prüfzeichen, immerhin ein besonders strafwürdiges Delikt aus dem Bereich der Urkundenfälschung und strafrechtlich viel schwerwiegender als das Inverkehrbringen von „nur“ falsch gestempelten oder sonst wie manipulierten Marken, ist heute fast schon an der Tagesordnung. Merke: Wer Stempel fälscht, fälscht die passenden Prüfzeichen gleich mit.
So wurde im September 2006 der Inhaber eines Auktionshauses in Bensheim zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, weil er mittels über 600 Falschstempeln und rund 50 falschen Prüfzeichen noch aktiver, nicht mehr aktiver und schon verstorbener Prüfer Marken nachgestempelt und anschließend gleich signiert hatte und über seine „Auktion“ vertrieb. Eine Hausdurchsuchung, ausgelöst durch einen aufmerksamen betrogenen Sammler, machte dem Treiben ein Ende und sorgte nach Abschluss des Prozesses für die Vernichtung der gesamten beschlagnahmten Fälschungswerkzeuge. Die philatelistische Presse hat darüber ausführlich berichtet.
Schon früh haben Sammler und ehrbare Händler versucht, sich vor solchen betrügerischen Machenschaften und den damit verbundenen finanziellen Verlusten zu schützen. In Deutschland ist heute der „Bund philatelistischer Prüfer e. V.“ (BPP) eine von Handel und Sammlerschaft gleichermaßen anerkannte Institution, die für nahezu alle Bereiche der Philatelie einen oder mehrere Spezialprüfer berufen hat, um sowohl die Echtheits- als auch die Qualitätsprüfung zu gewährleisten. Der BPP e. V. hat sich eine umfangreiche Prüfordnung gegeben, um nach einheitlichen, zuverlässigen und nachvollziehbaren Kriterien seine Aufgabe wahrnehmen zu können. Nachzulesen ist die Prüfordnung am Ende jedes MICHEL-Deutschland-Kataloges, seien es der Normal- oder auch der Spezialkatalog. Im Anschluss daran werden für die einzelnen Sammelgebiete die derzeit berufenen Prüfer mit ihren Adressen aufgeführt. Prüfordnung und Prüferverzeichnis sollte jeder Sammler in seinem eigenen Interesse aufmerksam studieren und sich nicht scheuen, die Dienste der Prüfer in Anspruch zu nehmen, wenn er sich bei einer geplanten oder schon durchgeführten Neuerwerbung unsicher ist. Das gilt auch, wenn das Stück bereits BPP-geprüft ist, der Käufer aber auf Nummer Sicher gehen will und eine so genannte „Nachprüfung“ auf die Echtheit des Prüfzeichens durchführen möchte. In diesem Fall schickt er die Marke(n) an den betreffenden Prüfer mit der Bitte um Nachprüfung, die stets kostenlos vorgenommen wird. Lediglich Portokosten fallen an.
Eine geprüfte Marke wird vom Prüfer auf der Rückseite gemäß Abschnitt 6 der Prüfordnung mit seinem Namenszeichen (Name und Zusatz „BPP“) versehen. Diese Signierung einer Marke bedeutet zunächst einmal nur die Echtheit des Prüfstückes an sich. Eine qualitative Einstufung wird hingegen durch die Stellung des Prüfzeichens vorgenommen. Eine einwandfreie Marke wird am untersten Rand signiert. Der Fachmann bezeichnet eine solche Marke auch als „tiefstgeprüft“. Je weiter der Zustand der Marke von dem einer einwandfreien entfernt ist, umso höher wird, wiederum vom unteren Rand aus gesehen, das Prüfzeichen gesetzt. Eine solche Marke, im Fachjargon je nach der Prüfzeichenstellung „tiefgeprüft“ und „höher geprüft“ genannt, wird in der Regel mehr oder weniger starke Mängel haben. Sind diese Mängel originär, etwa eine leicht unregelmäßige Zähnung bei einer sonst sauber und echt gestempelten „Marienkirche“ (Bundesrepublik Mi.-Nr. 139/40, Signierung etwa ein Zahnloch höher), so wird man sie noch tolerieren können. Wurde die Marke aber aufgrund von starken Mängeln oder nachträglichen Manipulationen (Falzentfernung, Nachzähnung, Reinigung, Reparatur etc.) höher signiert, kann der Kauf nur noch über einen sehr günstigen Preis zu rechtfertigen sein. Sinnvoller wäre es in diesem Fall, ein tadelloses Stück zu suchen, das zwar einen höheren Preis verlangt, aber dafür ungleich mehr Freude bereitet und im Falle eines Wiederverkaufs problemlos und zu einem angemessenen Preis zu veräußern ist.
Einige Prüfer sind inzwischen dankenswerterweise dazu übergegangen, hochwertige ungebrauchte Marken mit Falz, Falzspur oder Entfalzung gar nicht mehr zu signieren, sondern nur noch Fotobefunde oder Fotoatteste ohne Signaturen zu erstellen, damit mit den Marken nicht hernach ein Ahnungsloser hereingelegt werden kann, der das Vorhandensein eines BPP-Zeichens gleichsetzt mit einwandfreier Qualität. Herr Schlegel verfährt so etwa beim Posthornsatz, der bisher in den einschlägigen Anzeigen gerne als „geprüfter ungebrauchter Satz mit feinster Gummierung ohne Falz oder Falzspur“ angeboten wird. Tatsächlich handelt es sich bei dem vermeintlichen Preisknüller in aller Regel um einen entfalzten und entsprechend höher signierten Satz, mit dem auf Dummenfang gegangen wird. Schon der offerierte Preis muss misstrauisch machen. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Nichtsignierung zukünftig weniger manipulierte Sätze durch den Handel geistern.
Der Prüfer hat bei der Signierung einer Marke nur die Möglichkeit, sie als tadellos oder mehr oder weniger fehlerhaft zu kennzeichnen. Ob sie nun wirklich „einwandfrei“ ist oder welche Mängel sie genau aufweist, geht aus dem bloßen Prüfzeichen noch nicht hervor.
Um diesem Manko zu begegnen und auch das Risiko gefälschter Prüfzeichen auszuschließen, ist der Fachhandel in den letzten Jahren dazu übergegangen, hochwertige oder auch besonders „mängelgefährdete“ Ausgaben mit so genannten Fotokurzbefunden, Fotobefunden oder Fotoattesten zu versehen. Die Befunde und Atteste des BPP sind von der Gestaltung bei allen Prüfern gleich und dürfen auf keinen Fall mit „Expertisen“, „Fotoexpertisen“, „Foto-zertifikaten“ oder ähnlich phantasievoll angepriesenen Produkten selbsternannter „Experten“, „Briefmarkenprüfstellen“ oder auch dubioser Händler verwechselt werden. Wer aufmerksam die einschlägigen Angebote bei „ebay“ studiert, lernt sehr schnell die ganze Bandbreite der möglichen Zuschreibungen jener „Experten“ kennen, denen in aller Regel nur der Wunsch gemeinsam ist, nämlich möglichst schnell und in möglichst großen Happen an das Geld einer ahnungslosen, gutgläubigen, scheinbar schnäppchenschnappenden oder schlichtweg von der eigenen Gier umnebelten Klientel zu kommen. Merke: Eine wirklich gute Marke kann immer nur preiswert, aber nie billig sein – das verhindert der Wettbewerb ganz automatisch!
Der Fotokurzbefund im Kleinformat DIN A 7 enthält das Prüfungsdatum, ein Foto/eine Fotokopie der zu prüfenden Marke, die Mi.-Nr. und eine Kurzbeschreibung der Erhaltung mit der Qualitätseinstufung einwandfrei/ (leichte) Mängel. Eine zusätzliche Signierung der Marke (zu den evtl. bereits vorhandenen Signaturen) entfällt. Die Aussagekraft eines Fotokurzbefundes mit dem Qualitätsurteil „einwandfrei“ entspricht dem eines Fotoattestes, jedoch sind die Kosten deutlich geringer, weshalb der Fotokurzbefund vielfach bei Stücken bis zu einem Katalogwert von etwa 200,00 bis 250,00 Euro verwendet wird.
Der Fotobefund enthält neben dem Prüfungsdatum und der Feststellung der Echtheit noch eine Beschreibung und ein Foto/eine Fotokopie der Marke zur eindeutigen Identifizierung. Die Qualität der Marke wird nach den neuesten Richtlinien des BPP stets beschrieben; das war in der Vergangenheit oft nicht der Fall und führte durch die Nichterwähnung vorhandener Mängel zum Missbrauch des Fotobefundes als Derivat des Fotoattestes durch zwielichtige Anbieter. Die zusätzliche Signierung entfällt in der Regel, vorhandene Signaturen sollten erwähnt werden.
Eine genaue Qualitätsbeschreibung wird im Fotoattest als der zurzeit aufwändigsten Form der Prüfungsdokumentation vorgenommen. Das Fotoattest enthält auf fälschungssicherem Papier ein Foto/eine Fotokopie der Marke, die Echtheitsbestätigung und eine genaue Beschreibung der Qualität zum Zeitpunkt der Prüfung. Je nach Prüfer lautet die Formulierung für eine einwandfreie Marke zum Beispiel „die Erhaltung/Qualität ist ein-wandfrei“, „ohne Mängel“ oder „tadellos“. Vorhandene Mängel muss der Prüfer immer aufführen, er ist dazu durch die Prüfordnung verpflichtet! Von einer zusätzlichen Signierung wird der Prüfer bei einem Fotoattest absehen, da durch die mit einem Prägesiegel versehene Abbildung Vertauschungen ausgeschlossen sind. Bereits vorhandene Signierungen werden erwähnt.
Der hier geschilderte Aufwand hat natürlich seinen Preis. Die Zeiten, da die Prüfer nach Feierabend hin und wieder eine Prüfvorlage bearbeiten mussten, sind zumindest bei den umsatzstarken deutschen Sammelgebieten vorbei. Einige Verbandsprüfer, wie z. B. Hans-Dieter Schlegel, Michael Jäschke-Lantelme, Dr. Helmut Oechsner oder Bodo Ströh, haben das Prüfen zu ihrem Beruf gemacht. Sie berechnen für ihre Tätigkeit ein Entgelt, das in der Regel für die Prüfung und gegebenenfalls Signierung 3 % des Katalogwertes beträgt, mindestens 2,00 Euro pro Marke. Hinzu kommen die Gebühren für Fotokurzbefunde (je 5,00 Euro für das Kleinformat, je 8,00 Euro für das Groß-format), Fotobefunde (je 10,00 Euro) und Fotoatteste (je 20,00 Euro) sowie Portokosten und Mehrwertsteuer. So ist es leicht einzusehen, dass schon aus Kostengründen Befunde und Atteste den teueren Stücken vorbehalten bleiben müssen.
Durch die jüngste Verpflichtung der Prüfer, den kostengünstigeren Fotobefunden auch eine Qualitätsbeschreibung anzufügen, entspricht der Informationsgehalt des Fotobefundes inzwischen dem des Fotoattestes.
Der postfrische Posthornsatz, der Kernsatz jeder Bundesrepublik-Sammlung, ist ein gutes Beispiel für die Differenzierung der Qualitäten. Nur etwa 5 bis 10 % aller Sätze erhalten bei der Prüfung ein Fotoattest mit der Qualitätsbeschreibung „die Erhaltung/Qualität ist einwandfrei“. Noch einmal weitere 10 bis 15 % sind „einwandfrei, in der für diese Ausgabe normalen Zähnung“, was die winzigen Zahnunregelmäßigkeiten auch bei sorgfältig gerissenen Marken meint. Das Gros der Posthornsätze weist mehr oder weniger starke Mängel in Zähnung oder Gummierung auf und ist daher nicht attestfähig. Angesichts dieser „Qualitätspyramide“ mit einem nur kleinen Anteil wirklicher Spitzensätze werden die Preisunterschiede bei den im Handel angebotenen Sätzen erklärlich. In Anbetracht der weiter steigenden Qualitätsansprüche der Sammler auf der Nachfrageseite und dem nur kleinen Angebot an Luxussätzen wird die „Preisschere“ in Zukunft sicher noch größer werden. Der Posthornsatz ist hierbei kein Einzelfall, auch bei den meisten anderen teueren Ausgaben gibt es diese „Qualitätspyramide“.
Misstrauen ist stets angebracht, wenn Marken ausschließlich mit Prüfzeichen früherer, meist auch schon verstorbener Prüfer angeboten werden. Im Bereich der Sammelgebiete „Deutschland nach 1945“ waren früher die Prüfzeichen der Herren Dr. Dub, Ing. Becker und Richter, um nur einige zu nennen, weit verbreitet. In einem solchen Fall ist zu einer aktuellen Prüfung durch den zuständigen BPP-Prüfer zu raten. Nur er kann entscheiden, ob die seinerzeit signierte Marke nach den heutigen Kriterien und Forschungsergebnissen in Ordnung und damit kaufenswert ist. Lehnt der Verkäufer eine solche Neuprüfung ab, ist der Interessent gut beraten, sich nach einer anderen, kompetent (d. h. aktuell BPP-) geprüften Marke umzusehen.
Der Sammler, der für sein gutes Geld auch nur gute Briefmarken erwerben möchte (und sollte), tut gut daran, sich auf das neutrale Urteil der unabhängigen BPP-Prüfer zu verlassen. Ein vermeintlicher Schnäppchenanbieter kann eine Marke noch so sehr für echt halten - wenn sie bei der Prüfung „durchfällt“, war auch der billigste Preis noch zu hoch.
Schon der englische Sozialreformer John Ruskin (1819 - 1900) war zu folgender Erkenntnis gekommen:
„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.“
Dem ist nichts hinzuzufügen!
GEPRÜFT, SIGNIERT UND ATTESTIERT
Eine Einführung in den Sinn und die Hintergründe des Prüfwesens
Von Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian E. Geigle, Grünwald
(Vor zwölf Jahren erschien der nachfolgende Aufsatz über das Prüfwesen zum ersten Mal in meiner damaligen Hauptpreisliste Nr. 14. Zwischenzeitlich hat es zahlreiche Neuerungen und Verbesserungen gegeben, die in Verbindung mit verstärkter Aufklärungsarbeit der Verbände in der Fachpresse den Betrügern das Leben noch schwerer machen sollen. Deswegen habe ich meine Ausführungen wieder auf den neuesten Stand gebracht. Meine treuen Stammkunden kann ich mit diesen Zeilen vielleicht nur noch langweilen, weil sie längst den Zug der Zeit erkannt haben und nur auf höchste Qualität setzen, sie mögen mir verzeihen. Jeder neue Kunde aber, den ich vor Schaden bewahren kann, ist die Mühe wert.)
Fast genauso alt wie die Philatelie selbst ist die Tätigkeit der Fälscher. Nicht nur bei den sehr teueren, für den normalen Sammler fast unerreichbaren Seltenheiten besteht seit jeher eine große Gefahr, dass diese in ihrer Erhaltung manipuliert worden sind, sondern auch und gerade im mittleren und gehobenen Bereich der so genannten „Standardausgaben“ zielen die Machenschaften dubioser Anbieter auf den Geldbeutel des unzureichend informierten Sammlers. Eine interessante Schilderung findet sich in Prof. Carlrichard Brühls Standard-werk „Geschichte der Philatelie“ in den Kapiteln 13 und 14 und kann an dieser Stelle nur wärmstens empfohlen werden.
Es sind im modernen Bereich der Philatelie (d.h. dem Zeitraum ab etwa 1900) weniger die Ganzfälschungen, die eine Gefahr für die Sammlerschaft darstellen, als vielmehr der weite Bereich von Manipulationen und Verfälschungen an ansonsten echten (Ur-)Marken. Bei den postfrischen Marken gilt es auf Entfalzungen, Gummi-ausbesserungen und Nachgummierungen zu achten, bei gestempelten Marken, insbesondere solchen, die im Katalog höher bewertet werden als die ungebrauchte oder postfrische Ausführung, stellen Falschstempel die größte Gefahr dar. Unterschieden wird hierbei zwischen Abstempelungen mit rückdatierten, echten Poststempeln, mit gestohlenen und in Privathand befindlichen echten Poststempeln (z.B. beim Saarland) und mit privat angefertigten Falsch-stempeln, die den echten oft täuschend ähnlich sind. Sowohl bei postfrischen wie ungebrauchten Marken kann es „Verbesserungen“ an der Zähnung geben, die nachgestochen wird, um kurze oder fehlende Zähne zu kaschieren. Blöcke können am Rand beschnitten sein, um Randmängel zu beseitigen. Aufdrucke von Marken, die ohne diesen Aufdruck viel billiger, oft nur Pfennige wert sind, unterliegen einer besonderen Fälschungsgefahr, weil hier die „Gewinnspanne“ zumeist erheblich ist (z.B. bei Schwarz- und Rotaufdruck von Berlin, Band- und Netzaufdrucke auf den Ziffernwerten der Bizone).
Nachdem dank der Aufklärungsarbeit der Verbände und den Anstrengungen ehrbarer Berufsphilatelisten verfälschungsgefährdete Marken heute immer schwerer an den Sammler gebracht werden können, ist bei den Fälschern zunehmend auch die letzte Hemmschwelle weggefallen: Das Fälschen von Prüfzeichen, immerhin ein besonders strafwürdiges Delikt aus dem Bereich der Urkundenfälschung und strafrechtlich viel schwerwiegender als das Inverkehrbringen von „nur“ falsch gestempelten oder sonst wie manipulierten Marken, ist heute fast schon an der Tagesordnung. Merke: Wer Stempel fälscht, fälscht die passenden Prüfzeichen gleich mit.
So wurde im September 2006 der Inhaber eines Auktionshauses in Bensheim zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, weil er mittels über 600 Falschstempeln und rund 50 falschen Prüfzeichen noch aktiver, nicht mehr aktiver und schon verstorbener Prüfer Marken nachgestempelt und anschließend gleich signiert hatte und über seine „Auktion“ vertrieb. Eine Hausdurchsuchung, ausgelöst durch einen aufmerksamen betrogenen Sammler, machte dem Treiben ein Ende und sorgte nach Abschluss des Prozesses für die Vernichtung der gesamten beschlagnahmten Fälschungswerkzeuge. Die philatelistische Presse hat darüber ausführlich berichtet.
Schon früh haben Sammler und ehrbare Händler versucht, sich vor solchen betrügerischen Machenschaften und den damit verbundenen finanziellen Verlusten zu schützen. In Deutschland ist heute der „Bund philatelistischer Prüfer e. V.“ (BPP) eine von Handel und Sammlerschaft gleichermaßen anerkannte Institution, die für nahezu alle Bereiche der Philatelie einen oder mehrere Spezialprüfer berufen hat, um sowohl die Echtheits- als auch die Qualitätsprüfung zu gewährleisten. Der BPP e. V. hat sich eine umfangreiche Prüfordnung gegeben, um nach einheitlichen, zuverlässigen und nachvollziehbaren Kriterien seine Aufgabe wahrnehmen zu können. Nachzulesen ist die Prüfordnung am Ende jedes MICHEL-Deutschland-Kataloges, seien es der Normal- oder auch der Spezialkatalog. Im Anschluss daran werden für die einzelnen Sammelgebiete die derzeit berufenen Prüfer mit ihren Adressen aufgeführt. Prüfordnung und Prüferverzeichnis sollte jeder Sammler in seinem eigenen Interesse aufmerksam studieren und sich nicht scheuen, die Dienste der Prüfer in Anspruch zu nehmen, wenn er sich bei einer geplanten oder schon durchgeführten Neuerwerbung unsicher ist. Das gilt auch, wenn das Stück bereits BPP-geprüft ist, der Käufer aber auf Nummer Sicher gehen will und eine so genannte „Nachprüfung“ auf die Echtheit des Prüfzeichens durchführen möchte. In diesem Fall schickt er die Marke(n) an den betreffenden Prüfer mit der Bitte um Nachprüfung, die stets kostenlos vorgenommen wird. Lediglich Portokosten fallen an.
Eine geprüfte Marke wird vom Prüfer auf der Rückseite gemäß Abschnitt 6 der Prüfordnung mit seinem Namenszeichen (Name und Zusatz „BPP“) versehen. Diese Signierung einer Marke bedeutet zunächst einmal nur die Echtheit des Prüfstückes an sich. Eine qualitative Einstufung wird hingegen durch die Stellung des Prüfzeichens vorgenommen. Eine einwandfreie Marke wird am untersten Rand signiert. Der Fachmann bezeichnet eine solche Marke auch als „tiefstgeprüft“. Je weiter der Zustand der Marke von dem einer einwandfreien entfernt ist, umso höher wird, wiederum vom unteren Rand aus gesehen, das Prüfzeichen gesetzt. Eine solche Marke, im Fachjargon je nach der Prüfzeichenstellung „tiefgeprüft“ und „höher geprüft“ genannt, wird in der Regel mehr oder weniger starke Mängel haben. Sind diese Mängel originär, etwa eine leicht unregelmäßige Zähnung bei einer sonst sauber und echt gestempelten „Marienkirche“ (Bundesrepublik Mi.-Nr. 139/40, Signierung etwa ein Zahnloch höher), so wird man sie noch tolerieren können. Wurde die Marke aber aufgrund von starken Mängeln oder nachträglichen Manipulationen (Falzentfernung, Nachzähnung, Reinigung, Reparatur etc.) höher signiert, kann der Kauf nur noch über einen sehr günstigen Preis zu rechtfertigen sein. Sinnvoller wäre es in diesem Fall, ein tadelloses Stück zu suchen, das zwar einen höheren Preis verlangt, aber dafür ungleich mehr Freude bereitet und im Falle eines Wiederverkaufs problemlos und zu einem angemessenen Preis zu veräußern ist.
Einige Prüfer sind inzwischen dankenswerterweise dazu übergegangen, hochwertige ungebrauchte Marken mit Falz, Falzspur oder Entfalzung gar nicht mehr zu signieren, sondern nur noch Fotobefunde oder Fotoatteste ohne Signaturen zu erstellen, damit mit den Marken nicht hernach ein Ahnungsloser hereingelegt werden kann, der das Vorhandensein eines BPP-Zeichens gleichsetzt mit einwandfreier Qualität. Herr Schlegel verfährt so etwa beim Posthornsatz, der bisher in den einschlägigen Anzeigen gerne als „geprüfter ungebrauchter Satz mit feinster Gummierung ohne Falz oder Falzspur“ angeboten wird. Tatsächlich handelt es sich bei dem vermeintlichen Preisknüller in aller Regel um einen entfalzten und entsprechend höher signierten Satz, mit dem auf Dummenfang gegangen wird. Schon der offerierte Preis muss misstrauisch machen. Es bleibt zu hoffen, dass durch die Nichtsignierung zukünftig weniger manipulierte Sätze durch den Handel geistern.
Der Prüfer hat bei der Signierung einer Marke nur die Möglichkeit, sie als tadellos oder mehr oder weniger fehlerhaft zu kennzeichnen. Ob sie nun wirklich „einwandfrei“ ist oder welche Mängel sie genau aufweist, geht aus dem bloßen Prüfzeichen noch nicht hervor.
Um diesem Manko zu begegnen und auch das Risiko gefälschter Prüfzeichen auszuschließen, ist der Fachhandel in den letzten Jahren dazu übergegangen, hochwertige oder auch besonders „mängelgefährdete“ Ausgaben mit so genannten Fotokurzbefunden, Fotobefunden oder Fotoattesten zu versehen. Die Befunde und Atteste des BPP sind von der Gestaltung bei allen Prüfern gleich und dürfen auf keinen Fall mit „Expertisen“, „Fotoexpertisen“, „Foto-zertifikaten“ oder ähnlich phantasievoll angepriesenen Produkten selbsternannter „Experten“, „Briefmarkenprüfstellen“ oder auch dubioser Händler verwechselt werden. Wer aufmerksam die einschlägigen Angebote bei „ebay“ studiert, lernt sehr schnell die ganze Bandbreite der möglichen Zuschreibungen jener „Experten“ kennen, denen in aller Regel nur der Wunsch gemeinsam ist, nämlich möglichst schnell und in möglichst großen Happen an das Geld einer ahnungslosen, gutgläubigen, scheinbar schnäppchenschnappenden oder schlichtweg von der eigenen Gier umnebelten Klientel zu kommen. Merke: Eine wirklich gute Marke kann immer nur preiswert, aber nie billig sein – das verhindert der Wettbewerb ganz automatisch!
Der Fotokurzbefund im Kleinformat DIN A 7 enthält das Prüfungsdatum, ein Foto/eine Fotokopie der zu prüfenden Marke, die Mi.-Nr. und eine Kurzbeschreibung der Erhaltung mit der Qualitätseinstufung einwandfrei/ (leichte) Mängel. Eine zusätzliche Signierung der Marke (zu den evtl. bereits vorhandenen Signaturen) entfällt. Die Aussagekraft eines Fotokurzbefundes mit dem Qualitätsurteil „einwandfrei“ entspricht dem eines Fotoattestes, jedoch sind die Kosten deutlich geringer, weshalb der Fotokurzbefund vielfach bei Stücken bis zu einem Katalogwert von etwa 200,00 bis 250,00 Euro verwendet wird.
Der Fotobefund enthält neben dem Prüfungsdatum und der Feststellung der Echtheit noch eine Beschreibung und ein Foto/eine Fotokopie der Marke zur eindeutigen Identifizierung. Die Qualität der Marke wird nach den neuesten Richtlinien des BPP stets beschrieben; das war in der Vergangenheit oft nicht der Fall und führte durch die Nichterwähnung vorhandener Mängel zum Missbrauch des Fotobefundes als Derivat des Fotoattestes durch zwielichtige Anbieter. Die zusätzliche Signierung entfällt in der Regel, vorhandene Signaturen sollten erwähnt werden.
Eine genaue Qualitätsbeschreibung wird im Fotoattest als der zurzeit aufwändigsten Form der Prüfungsdokumentation vorgenommen. Das Fotoattest enthält auf fälschungssicherem Papier ein Foto/eine Fotokopie der Marke, die Echtheitsbestätigung und eine genaue Beschreibung der Qualität zum Zeitpunkt der Prüfung. Je nach Prüfer lautet die Formulierung für eine einwandfreie Marke zum Beispiel „die Erhaltung/Qualität ist ein-wandfrei“, „ohne Mängel“ oder „tadellos“. Vorhandene Mängel muss der Prüfer immer aufführen, er ist dazu durch die Prüfordnung verpflichtet! Von einer zusätzlichen Signierung wird der Prüfer bei einem Fotoattest absehen, da durch die mit einem Prägesiegel versehene Abbildung Vertauschungen ausgeschlossen sind. Bereits vorhandene Signierungen werden erwähnt.
Der hier geschilderte Aufwand hat natürlich seinen Preis. Die Zeiten, da die Prüfer nach Feierabend hin und wieder eine Prüfvorlage bearbeiten mussten, sind zumindest bei den umsatzstarken deutschen Sammelgebieten vorbei. Einige Verbandsprüfer, wie z. B. Hans-Dieter Schlegel, Michael Jäschke-Lantelme, Dr. Helmut Oechsner oder Bodo Ströh, haben das Prüfen zu ihrem Beruf gemacht. Sie berechnen für ihre Tätigkeit ein Entgelt, das in der Regel für die Prüfung und gegebenenfalls Signierung 3 % des Katalogwertes beträgt, mindestens 2,00 Euro pro Marke. Hinzu kommen die Gebühren für Fotokurzbefunde (je 5,00 Euro für das Kleinformat, je 8,00 Euro für das Groß-format), Fotobefunde (je 10,00 Euro) und Fotoatteste (je 20,00 Euro) sowie Portokosten und Mehrwertsteuer. So ist es leicht einzusehen, dass schon aus Kostengründen Befunde und Atteste den teueren Stücken vorbehalten bleiben müssen.
Durch die jüngste Verpflichtung der Prüfer, den kostengünstigeren Fotobefunden auch eine Qualitätsbeschreibung anzufügen, entspricht der Informationsgehalt des Fotobefundes inzwischen dem des Fotoattestes.
Der postfrische Posthornsatz, der Kernsatz jeder Bundesrepublik-Sammlung, ist ein gutes Beispiel für die Differenzierung der Qualitäten. Nur etwa 5 bis 10 % aller Sätze erhalten bei der Prüfung ein Fotoattest mit der Qualitätsbeschreibung „die Erhaltung/Qualität ist einwandfrei“. Noch einmal weitere 10 bis 15 % sind „einwandfrei, in der für diese Ausgabe normalen Zähnung“, was die winzigen Zahnunregelmäßigkeiten auch bei sorgfältig gerissenen Marken meint. Das Gros der Posthornsätze weist mehr oder weniger starke Mängel in Zähnung oder Gummierung auf und ist daher nicht attestfähig. Angesichts dieser „Qualitätspyramide“ mit einem nur kleinen Anteil wirklicher Spitzensätze werden die Preisunterschiede bei den im Handel angebotenen Sätzen erklärlich. In Anbetracht der weiter steigenden Qualitätsansprüche der Sammler auf der Nachfrageseite und dem nur kleinen Angebot an Luxussätzen wird die „Preisschere“ in Zukunft sicher noch größer werden. Der Posthornsatz ist hierbei kein Einzelfall, auch bei den meisten anderen teueren Ausgaben gibt es diese „Qualitätspyramide“.
Misstrauen ist stets angebracht, wenn Marken ausschließlich mit Prüfzeichen früherer, meist auch schon verstorbener Prüfer angeboten werden. Im Bereich der Sammelgebiete „Deutschland nach 1945“ waren früher die Prüfzeichen der Herren Dr. Dub, Ing. Becker und Richter, um nur einige zu nennen, weit verbreitet. In einem solchen Fall ist zu einer aktuellen Prüfung durch den zuständigen BPP-Prüfer zu raten. Nur er kann entscheiden, ob die seinerzeit signierte Marke nach den heutigen Kriterien und Forschungsergebnissen in Ordnung und damit kaufenswert ist. Lehnt der Verkäufer eine solche Neuprüfung ab, ist der Interessent gut beraten, sich nach einer anderen, kompetent (d. h. aktuell BPP-) geprüften Marke umzusehen.
Der Sammler, der für sein gutes Geld auch nur gute Briefmarken erwerben möchte (und sollte), tut gut daran, sich auf das neutrale Urteil der unabhängigen BPP-Prüfer zu verlassen. Ein vermeintlicher Schnäppchenanbieter kann eine Marke noch so sehr für echt halten - wenn sie bei der Prüfung „durchfällt“, war auch der billigste Preis noch zu hoch.
Schon der englische Sozialreformer John Ruskin (1819 - 1900) war zu folgender Erkenntnis gekommen:
„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.
Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das Risiko, das Sie eingehen, etwas hinzurechnen. Und wenn Sie das tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.“
Dem ist nichts hinzuzufügen!
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